Es war in der 6. Klasse und ich kann mich noch daran erinnern als wäre es gestern gewesen. Gerade wurden wir von unserer Lehrerin einzeln nach vorne gerufen, damit sie vor der kompletten Klasse die Kunstnote jedes einzelnen Schülers verkünden konnte (Hatte man damals eigentlich schon was von Datenschutz gehört, oder galt dieses Recht nicht für Kinder? Sorry, da kommt jetzt mein Datenschutz-Gen durch, dazu später mehr. Zurück zur 6. Klasse). Die Lehrerin war also gerade dabei die Kunstnoten zu verkünden, als sie, als ich an der Reihe war plötzlich eine bedeutungsvolle Pause einlegte. Und anstatt mich, wie bei meinen Mitschülern über ihren Brillenrand zu mustern und dann eher teilnahmslos die Note zu verkünden, sprang sie plötzlich von ihrem Schreibtisch auf, klatschte mehrfach sekundenschnell in ihre Hände und verkündete mit fröhlich singender Stimme: „Liebe Schülerinnen und Schüler, die Leistung von Ramona müssen wir heute ganz besonders würdigen. Ramona ist nämlich die Einzige die es geschafft hat, sowohl in jeder Zeichnung als auch in jedem Aufsatz (meine Kunstlehrerin war gleichzeitig auch meine Deutschlehrerin) eine 1,0 zu erhalten“. Wow, wie vom Donner gerührt stand ich da, ehe ich mich stolz zu meinen Mitschülern umdrehte, die mir jubelnd entgegen applaudierten.
Auch aus heutiger Sicht eine Leistung auf die ich stolz zurück blicke. Was zugegebenermaßen auch daran liegen mag, dass ich diese oder gar ähnliche Sätze in den darauffolgenden Jahren nicht mehr zu hören bekam ;) Was würde ich heute dafür geben, eines dieser alten Bilder oder Aufsätze noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Leider haben sie die Jahre des Erwachsenwerdens nicht überdauert. Deshalb an dieser Stelle ein wichtiger Ratschlag an alle lieben Mütter und Väter, tut mir den Gefallen und hebt die künstlerischen Arbeiten eurer Kinder auf. Packt sie in einen Koffer und schiebt ihn unter das Bett. Ich garantiere Euch, es wird Euch irgendwann einmal von tiefsten Herzen gedankt!
Meine malerische Begabung hatte sich dann im Laufe der Zeit leider in Luft aufgelöst. Ob es an dem militärischen Mann lag, den ich in den darauffolgenden Jahren als Kunstlehrer genießen durfte oder ob es einfach zu einer Interessenverschiebung kam, kann ich heute nicht mit Sicherheit sagen.
Fakt ist aber, dass ein neues Interesse mein damaliges Leben bestimmte. Ich hatte die Welt der Mode entdeckt… oder hatte sie mich entdeckt?